Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft
Die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaften im Rahmen der
School for Talents dient der Förderung der Besten unter den Studierenden der Fakultät 3 sowie der Förderung besonders begabter und motivierter Schülerinnen und Schüler der Klassen 10 und der Oberstufe.
Als abschließendes Highlight im akademischen Jahr 2022:
Feuer und Flamme für Chemie - Experimentalvorlesung zu Gefahrstoffen.
Beitrag im studentischen Blog der Universität Stuttgart:
Als Schüler im Hörsaal - Nathanael begeistert sich für Chemie
Die leistungsstärksten Studierenden eines Jahrgangs werden durch fachbezogene Angebote gefördert, beispielsweise in einer Ringvorlesung von Professoren und führenden Wissenschaftlern der Fakultät, Kooperationspartnern anderer Fakultäten, Universitäten, Forschungseinrichtungen und der Industrie, und erhalten Unterstützung bei der Auswahl und Beantragung von außeruniversitären und Auslands-Praktika, Stipendien sowie einer aktiven Vermittlung von Forschungspraktika, Industrieexkursionen und Auslandsaufenthalten. Die Ringvorlesung wird im etwa 4-wöchigen Rhythmus stattfinden. Dabei schließt der intensive Diskurs eine grundlegende Einführung in die wissenschaftlichen Themen und deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz ein, gefolgt von einer intensiven Diskussion durch die Teilnehmer. Der anschließende enge soziale Kontakt zwischen Teilnehmerinnen, Teilnehmern, Dozentinnen und Dozenten liefert einen wichtigen Beitrag zur interdisziplinären Verknüpfung. Das Angebot wird durch Industrie- und weitere Exkursionen, die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Tagung sowie durch besondere Berücksichtigung der Mitglieder der Eliteakademie zur Teilnahme an Kursen der Ferienakademie Sarntal ergänzt.
Mitgliedern der Eliteakademie wird während des Bachelor-Studiums ein früherer Zugang zu Master-Wahlveranstaltungen ermöglicht. Ergänzend haben die herausragenden Studierenden der Eliteakademie die Möglichkeit, am Fast-Track-Programm teilzunehmen, indem sie während des Masterstudiums verstärkt in Projekte einzelner Forschergruppen eingebunden werden.
Jedes Jahr werden in den beteiligten Studiengängen bis zu vier Abschlussarbeiten aus dem Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Eliteakademie zu einer besonderen Auszeichnung ausgewählt, mit einem Vortrag am Tag der Fakultät besonders hervorgehoben und mit einer Urkunde der Eliteakademie ausgezeichnet.
Auswahlverfahren:
Die Auswahl zur Eliteakademie erfolgt über eine Fakultätsauswahl. In die Eliteakademie werden die jeweils leistungsstärksten Studierenden der Lehrbereiche Chemie und Materialwissenschaften aus den Studiengängen Chemie Bachelor und Master, Lebensmittelchemie Bachelor, Materialwissenschaften Bachelor und Master sowie den Teilstudiengängen Bachelor of Arts Chemie und Master of Education Chemie aufgenommen. Die Auswahl verläuft über Studienfortschritt und Notendurchschnitt.
Besonders begabte Schülerinnen und Schüler nehmen mit den Studierenden zusammen an der Ringvorlesung der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft teil. Außerdem erhalten Sie die Möglichkeit, innerhalb der Fakultät Chemie interessante Praktika durchzuführen sowie an einer wissenschaftlichen Tagung und ausgewählten Exkursionen teilzunehmen. Sie werden weiterhin bei der Teilnahme an Veranstaltungen des Schnupperstudiums inklusive dem Schnupperpraktikum Chemie, Schülerpraktika, dem Frühstudium sowie dem Kontakt und Zugang zu Forschungsgruppenleitern besonders berücksichtigt.
Die Bewerbung für das Programm findet zentral über die Homepage der Fakultät 3 der Universität Stuttgart statt.
Die Auswahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler aus den eingegangenen Bewerbungen trifft eine Auswahlkommission der Fakultät. Bewerbungsende war der 30. September 2024.
Die Auswahl der Schülerinnen und Schüler für das Schuljahr 2024/25 ist abgeschlossen. Eine Bewerbung ist erst wieder ab Juli 2025 für das Schuljahr 2025/26 möglich.
Programm Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft, 2023/24
27.10.2023 Prof. Dr. Deven Estes, Universität Stuttgart Experimentalvorlesung: CO2-Chemie: Wie wir den Kohlenstoffkreislauf wieder schließen |
10.11.2023 Prof. Dr. Cosima Stubenrauch, Universität Stuttgart Innovative Methode zur Reinigung historischer Kunstwerke: Schwamm-Effekt und Schaumblasen-Wischen |
26.01.2024 Dr. Axel Knödler, Landeskriminalamt Baden-Württemberg Chemie in der Kriminaltechnik – die spannende Arbeit des Chemikers beim Landeskriminalamt |
30.01.2024 Prof. Dr. Stefan Buchholz Innovationsmanagement (nur für Studierende) |
28.02.2024, 29.02.2024, 06.03.2024 und 07.03.2024 Fehling-Lab, Universität Stuttgart Experimentiernachmittag für Schüler*innen |
28.02.2024 Prof. Dr. Stefan Buchholz, Dr. Christoph Weckbecker Exkursion zu Evonik (Hanau), (nur für Studierende) |
19.04.2024 Prof. Dr. Andreas Köhn, Universität Stuttgart Wie sehen Moleküle aus? |
11.05.2024 Exkursion |
28.06.2024 Prof. Dr. Jens Brockmeyer, Universität Stuttgart Gesund, Genuss, Gefahr – die vielen Facetten der Chemie in Lebensmitteln |
12.07.2024 Prof. Dr. Thomas Schleid, Universität Stuttgart Experimentalvorlesung: Stickstoff: Inertgas und Knallerelement Abschluss: CampusBeach Eine Exkursion für Studierende sowie ein weiterer Vortrag eines Industrievertreters befinden sich in der Planung. |
Zur ersten Veranstaltung der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft des akademischen Jahres 2024 waren auch alle studentischen Teilnehmer*innen des vergangenen Jahres geladen, um dort ihre Teilnahmebescheinigungen überreicht zu bekommen. Die Schüler*innen hatten ihre Bescheinigungen schon am Ende des vergangenen Schuljahres in ihrer jeweiligen Schule erhalten. Insgesamt erhielten 85 Schüler*innen und 61 Studierende die Bescheinigung, da sie regelmäßig an den Veranstaltungen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaften teilgenommen hatten. Wir freuen uns über diese große Resonanz und hoffen auf eine gleichbleibende Motivation der Teilnehmer*innen im neuen akademischen Jahr.
Erneut vor einem vollen Hörsaal startete die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft in das akademische Jahr 2024. Schülerinnen und Schüler aus ganz Baden-Württemberg hatten den Weg zur Universität Stuttgart angetreten, um mit den besten Studierenden der Fakultät 3 an der diesjährigen Eröffnungsveranstaltung teilzunehmen. Dabei scheuten die Schüler*innen auch lange Anreisen z.B. aus Singen, Engen, Radolfzell, Aalen oder Michelbach an der Bilz nicht, um mit dabei zu sein. So kamen über 150 junge Leute zusammen, um sich von Professor Deven Estes erklären zu lassen, wie der Kohlenstoffkreislauf wieder geschlossen werden kann und wir so unser Klima und die Welt retten können.
Um in das Thema einzuführen, zeigte Professor Estes zunächst einige Fotos – wie stellen wir uns den Sommer vor, z.B. einen herrlichen Strandurlaub, und wie wird er bald sein: unerträglich heiß. Vom Winter erwarten wir eine Schneepracht mit guten Möglichkeiten zum Skifahren, finden aber häufig auch in großen Höhen nur grüne Abhänge, auf denen mit künstlichem Schnee Abfahrtspisten angelegt werden. Professor Estes berichtete auch, dass in seiner Heimat Oklahoma Tornados zu größeren Problemen geworden sind. Auch wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die ganze Welt sich seit den 1980er Jahren deutlich erwärmt. Dies steht im Einklang mit dem steigenden Anteil von Kohlenstoffdioxid in der Luft, da CO2 den Hauptanteil der Wärmeerhöhung erzeugt. Eindrucksvoll zeigt sich dies auch, wenn die Diagramme der Konzentration an CO2 in der Atmosphäre und der antarktischen Temperaturen übereinandergelegt werden, die quasi deckungsgleich sind. Die Erklärung für den Treibhauseffekt kennen die Teilnehmer*innen schon aus der Schule: Sonnenstrahlen gelangen von der Sonne auf die Erdoberfläche und werden auf der Erde in Wärmestrahlen umgewandelt, von dem ein Teil in die Atmosphäre zurückgeschickt wird. Treffen diese Wärmestrahlen nun auf Treibhausgase wie CO2, Methan oder auch Wasser werden sie zum Teil erneut auf die Erdoberfläche zurückgeworfen. Die Auswirkungen zeigen sich besonders stark am Polarkreis, ebenfalls stark betroffen ist Osteuropa. Wenn wir nichts gegen die Klimaerwärmung tun, kann mit einem Temperaturanstieg von ca. 6 °C gerechnet werden – das Klima in Deutschland wäre dann mit dem jetzigen in Spanien vergleichbar, in Indien und der Sahara würden die Temperaturen so steigen, dass man dort kaum noch leben könnte.
Wie kommt nun aber CO2 in die Luft? Zur natürlichen Bildung von CO2 tragen alle Lebewesen durch den Stoffwechsel und das Ausatmen von CO2 bei. Das Vorhandensein von CO2 im Atem machte Professor Estes anhand eines kleinen Wettbewerbs deutlich. Drei Freiwillige aus dem Auditorium wurden gebeten, über spezielle Röhrchen in eine Lösung, die Bromthymolblau als Indikator enthielt, zu pusten. Dabei wechselte die Farbe der Indikatorlösung von blau nach grün, als sich Kohlensäure aufbaute. So führt auch eine höhere CO2-Konzentration im Ozean zur Ausbildung eines niedrigeren pH-Wertes, was zur Folge hat, dass Korallen sich nicht mehr bilden können. Wie CO2 aus der Luft entfernt werden kann, weiß natürlich jedes Kind – durch Photosynthese. Sicherlich werden sich aber auch einige Zuhörer gewundert haben, dass nur 20 % der Photosynthese durch grüne Pflanzen erfolgt, etwa 70 – 80 % aber durch Mikroorganismen im Wasser. Somit ist die pH-Wert-Einstellung im Wasser besonders wichtig. Der CO2-Anteil in der Luft wird zusätzlich entscheidend durch die anthropogene Erzeugung in Form von Verbrennung fossiler Brennstoffe, Agrikultur und Industrie erhöht. Dabei wird i.a. die billigste Methode verwendet, die nicht notwendigerweise auch die beste für die Umwelt ist. Wie können wir also den CO2-Anteil in der Atmosphäre senken? Die erste Möglichkeit ist, durch Nutzung erneuerbarer Energien, Sparsamkeit und Änderungen in der Industriekultur, die zweite besteht darin, CO2 aufzufangen und erneut zu verwenden. Denkbar ist auch die Speicherung von CO2 im Untergrund, wo es innerhalb von Jahrtausenden wieder zu Kalk reagieren könnte. Anhand eines eindrucksvollen Experiments zeigte Prof. Estes, dass auch Zeolithe Kohlenstoffdioxid speichern können. Nun stellte sich aber die Frage, wie CO2 wieder nutzbar gemacht werden kann. Hier zeigte Prof. Estes einige Beispiele, z.B. die Gewinnung von Kunststoffen oder die Bildung von Ameisensäure oder Methanol als wichtige chemische Grundstoffe.
Wenn man sich aber bewusst macht, dass es um Milliarden Tonnen von CO2 geht, wird schnell klar, dass es keine einfache und einzige Lösung geben kann, sondern dass alle möglichen Wege genutzt werden müssen, um gegen den Klimawandel zu kämpfen. Wichtig ist dabei, dass die unterschiedlichen Wege wirtschaftlich attraktiv werden müssen, was oftmals nur über Gesetzesänderungen möglich sein wird. Das Fazit von Professor Estes ist: Wir müssen jetzt handeln, bevor es zu spät ist.
Die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaften bietet den talentierten Teilnehmer*innen auch in den kommenden Monaten ein spannendes und herausforderndes Programm, in dem sie ihre wissenschaftlichen Kompetenzen ausbauen können und Einblicke in aktuelle Forschungsthemen erhalten.
Die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft ist ein Projekt der School for Talents an der Universität Stuttgart, die durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert wird.
Wofür braucht ein König Schaum? – dies fragten sich sicherlich einige der Teilnehmer*innen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft, als sie die Einladung zur November-Vorlesung erhielten. Will der König ein Vollbad nehmen? Und warum benötigt der König dazu „neue Schäume“?
Schnell wurde aber klar, dass es gar nicht um ein Vollbad gehen sollte, sondern vielmehr um die Reinigung von Kunst- und Kulturgütern. Mit Schäumen und ihren Eigenschaften beschäftigt sich Frau Professor Cosima Stubenrauch an der Universität Stuttgart, die zunächst sehr anschaulich erzählte, wie sie überhaupt zu diesem speziellen Forschungsprojekt gekommen ist. Oberflächen von historischen Kunst- und Kulturgütern sind sowohl durch biogene als auch anthropogene Verschmutzungen belastet. Daher ist es notwendig, diese historischen Oberflächen von Zeit zu Zeit zu reinigen. Dabei gibt es für jede Oberfläche eine maßgeschneiderte Rezeptur, wobei die Restauratoren nur ungerne mit wässrigen oder lösemittelhaltigen Rezepturen arbeiten. Im speziellen Fall sollen 80 Kutschen im Münchener Marstallmuseum von Schloss Nymphenburg gereinigt werden. Hier hatte der Restaurator Dr. Heinrich Piening einige Vorversuche gemacht und dabei herausgefunden, dass geschäumte Reinigungsmittel besser reinigen als ungeschäumte. Da er dieses Ergebnis nicht erklären konnte, trat er an die Physikerin Dr. Wiebke Drenckhan heran, eine Expertin auf dem Gebiet der Physik der Schäume. Seit einem gemeinsamen Forschungsaufenthalt in Dublin stehen Dr. Wiebke Drenckhan und die Chemieprofessorin Cosima Stubenrauch in engem Kontakt. So entstand schnell die Idee zur Zusammenarbeit. Durch einen gemeinsam mit Dr. Piening gestellten und bewilligten Förderantrag bei der Deutschen Bundesstiftung für Umwelt entstand dieses Forschungsprojekt, das in Stuttgart von Frau Dr. Tamara Schad bearbeitet wurde.
Zu Beginn des Projekts stellte sich die Frage, wieso der Schaum überhaupt reinigt. Schäumen wird im Normalfall keine Reinigungswirkung zugeschrieben. Dies deckte sich aber nicht mit der Beobachtung des Restaurators. Daher musste der Schaum näher untersucht werden. Es wird zwischen nassen und trockenen Schäumen unterschieden. Ein nasser Schaum hat kugelförmige Blasen. Durch das Herauslaufen des Wassers (Drainage) entsteht aus einem nassen Schaum ein trockener Schaum mit deformierten Blasen. Der Schaum zerfällt mit der Zeit. Dies ist auf zwei Mechanismen zurückzuführen, die Koaleszenz (Filmriss) und die Ostwald-Reifung (Gastransport). Bei der Koaleszenz reißt der Flüssigkeitsfilm zwischen zwei Schaumblasen und eine neue größere Blase entsteht. Dies kann durch stabile Filme zwischen den Schaumblasen verlangsamt werden. Bei der Ostwald-Reifung verschwinden kleine Blasen zu Gunsten von größeren durch Gastransport, wenn das Gas in der Tensidlösung löslich ist. Da in einer kleineren Blase ein höherer Gasdruck herrscht als in einer größeren, strebt das System nach einem Ausgleich. Dieser Vorgang ist deutlich langsamer als die Koaleszenz. Gibt man Perfluorhexan – ein in Wasser unlösliches Gas – zur Gasphase des Schaums hinzu, wird der Gastransport verhindert. In den Luftblasen befinden sich nun Luft und Perfluorhexan. Bei einem Luft-Gastransport würde sich die Konzentration von Perfluorhexan in den kleineren Schaumblasen erhöhen. Die Perfluorhexan-Konzentration soll aber in beiden Bläschen gleichbleiben und diese Triebkraft ist stärker als der Laplace-Druck, der Triebkraft für die Ostwald-Reifung. In einem Experiment zeigte Frau Professor Stubenrauch, dass Schaum durch Perfluorhexan stabilisiert werden kann und deutlich langsamer zerfällt als Schaum ohne Zusatz.
Zur Untersuchung der Reinigungswirkung der unterschiedlichen Schäume wurde ein Tropfen eingefärbtes Sonnenblumenöl auf einer Glasplatte von unten beobachtet. Dann wurde durch eine Doppelspritzentechnik ein Schaum erzeugt und auf den Öltropfen gesetzt. Der instabile Schaum reinigt dabei deutlich besser als der mit Perfluorhexan stabilisierte. Frau Professor Stubenrauch gab unumwunden zu, dass sie hier eigentlich genau das Gegenteil erwartet hätte – auch Chemiker können sich mal irren. „Das war aber eigentlich sehr gut für uns, da Perfluorhexan ein Treibhausgas ist, und keiner würde ein Reinigungsmittel mit diesem Zusatz kaufen oder verwenden.“, erklärte Frau Professor Stubenrauch. Aber warum reinigt der instabile Schaum nun besser als der stabile? Dies beruht auf zwei Effekten. Der erste Effekt ist der Kapillareffekt, bei dem der Schaum, ähnlich wie ein Schwamm, Schmutz von der Oberfläche „wegsaugt“. Je kleiner die Blasen sind, desto größer ist dieser Kapillareffekt. Hinzu kommt als zweiter Effekt ein „Wisch-Effekt“. Dieser entsteht durch die Mechanik beim Schaumzerfall, also durch das Platzen und Umordnen der Schaumblasen auf der Glasplatte. Das Tensid kann dadurch unter das Öl geschoben werden – und dieser Effekt ist eben nur bei instabilem Schaum zu beobachten. Für eine effiziente Reinigung werden daher beide Effekte benötigt – der „Schwamm-Effekt“ und das „Schaumblasen-Wischen“. Beide Effekte zusammen erzielen eine so hohe Wirksamkeit, dass es ausreicht, den Schaum für eine gewisse Zeit auf der Oberfläche wirken zu lassen, bevor er entfernt wird. Weitere mechanische Aktionen sind nicht mehr erforderlich.
Nach diesen Erkenntnissen durften sich die Forscher dann auch endlich an echten Kunstobjekten versuchen. „Wir haben erst mal klein angefangen mit Bruchstücken von Kunstwerken, die nicht mehr eindeutig zuzuordnen waren. Es zeigte sich, dass die Methode sehr erfolgreich war“, erklärte Frau Professor Stubenrauch den Zuhörer*innen. Durch die erfolgreiche Erprobung der Methode auf kleinen Flächen, konnte im nächsten Schritt eine ganze Kutsche, nämlich der Krönungswagen von Kaiser Karl VII gereinigt werden. Für die Restauratoren ein voller Erfolg, da der Wagen in nur 340 Stunden gereinigt werden konnte – mit herkömmlichen Methoden hätten sie ca. 1000 Stunden benötigt. Zusätzlich konnte die benötigte Tensidlösung um 90 % verringert werden.
Zahlreiche Fragen der Zuhörer*innen beantwortete Frau Professor Stubenrauch im Anschluss an Ihren Vortrag. Dabei erklärte sie auch, wie schwierig das Forscherleben manchmal sein kann. Auf die Frage, ob ein spezielles Tensid notwendig ist, antwortete sie: „Wir haben 30 bis 40 unterschiedliche Tenside getestet, aber nur ein oder zwei funktionieren tatsächlich.“
Wer hat die Ermittler noch nicht in einem Krimi gesehen: sie suchen nach Fingerabdrücken, packen Haare oder Flusen in kleine, durchsichtige Plastiktüten und sichern so Beweisstücke zur Überführung der Täter. Das hier analytische Verfahren maßgeblich für die Überführung eines Täters sind, ist unbestritten. Allerdings gibt es beim Landeskriminalamt noch weitere Tätigkeitsfelder für Chemiker*innen, wie Dr. Axel Knödler vom LKA in Stuttgart den Teilnehmer*innen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft eindrücklich zeigte. Der promovierte Chemiker und ehemalige Entschärfer beschäftigt sich mit Untersuchung von chemischen, biologischen und radioaktiven Gefahrstoffen. Was können hier wichtige Fragestellungen sein? Untersuchungen von explosionsgefährlichen Gefahrstoffen, Rückstandsanalyse nach Explosionsereignissen, z.B. der Sprengung eines Geldautomaten, aber auch gutachterliche Tätigkeiten, die vor Gericht zur Verurteilung von Beschuldigten führen können, stehen auf der Tagesordnung des Kriminaltechnischen Instituts beim LKA. Dabei werden Untersuchungen sowohl im Labor als auch im Laborfahrzeug, das bspw. über ein mobiles Raman-Spektrometer, ein mobiles IR-Spektrometer und über ein mobiles GC/MS-System verfügt, durchgeführt. „Bei den Raman-Untersuchungen kann man durch Gefäße hindurchmessen,“ erläutert Dr. Knödler, „das ist besonders bei Explosivstoffen sehr wichtig.“ Aber auch ein Dosisleitungsmessgerät für radioaktive Strahlung wird immer mitgeführt. Dazu erläutert Dr. Knödler das CBRNE-Gefahrenpotential. CBRNE steht für chemische, biologische, radiologische, nukleare und explosive Notfälle. Das Gefahrenpotential durch Chemiewaffen oder radioaktive Stoffe ist dabei eher niedriger, weil man an solche Stoffe nur schwer herankommt. Am wahrscheinlichsten ist die Gefahr durch Explosivstoffe. Aber auch bei biologischen Gefahrstoffen, etwa wenn ein Politiker einen Brief mit weißem Pulver bekommt, werden die Mitarbeiter des LKAs gerufen. „Zum Glück ist es meist nur Pfeffer oder Mehl und kein biologischer Gefahrstoff wie bspw. der Milzbrand-Erreger, die verschickt werden,“ berichtete Axel Knödler.
Da Dr. Knödler sich im Wesentlichen mit Explosivstoffen beschäftigt, ging er im Laufe seines Vortrags genauer darauf ein. Um zu prüfen, ob ein Stoff ein Explosionsstoff ist, gibt es nach dem Sprengstoffgesetz drei Verfahren: die Fallhammer-Methode, die Reibe-Methode und die Thermische Methode. Zeigt ein Stoff hier eine Explosion oder einen Lichtblitz, ist er als Explosionsstoff einzustufen. Während Schwarzpulver und Treibladungspulver, die in der Pyrotechnik Anwendung finden, zu den langsam umsetzenden explosionsgefährlichen Substanzen gehören, zeichnen sich brisante Explosivstoffe wie TNT durch eine deutlich größere Abbrandgeschwindigkeit und größere Durchschlagskraft aus. Beeindruckend für die Teilnehmer*innen zu sehen waren Beispiele von Knallkörpern auf Schwarzpulverbasis wie bei zugelassenen Silvesterknallern im Vergleich zu Blitzknallsatz-Knallkörpern in nicht zugelassenen Böllern. Explodiert ein solcher in Deutschland nicht zugelassener Sprengsatz vor dem Abwurf, wird die Hand komplett zerfetzt, wie Axel Knödler mit eindrucksvollen Bildern zeigt. Auch auf Sprengung von Geldautomaten geht der LKA-Mitarbeiter näher ein und zeigt die Zerstörungskraft und Auswirkungen der hier eingesetzten Sprengsätze.
Aber auch wenn die Polizei bei Privatpersonen größere Mengen an Chemikalien findet, werden die Sprengstoffexperten zu Rate gezogen, denn die Chemikalien könnten zur Herstellung von Sprengstoff gedacht sein. Die Chemikalien werden dann hinsichtlich des Sprengstoffgesetzes bewertet und eine Gefährdungsbeurteilung erstellt. Über einen solchen Fall aus dem Jahr 2022 weiß Dr. Knödler zu berichten: „Am Ende konnte der Verdacht auf Sprengstoffherstellung aber nicht erhärtet werden und die Chemikalien wurden von einem Entsorger abgeholt.“
Weitere Einsatzgebiete des LKA sind Untersuchungen von Raumexplosionen – hier sind Gas- und Sprengstoffexplosionen leicht zu unterscheiden, weiß Dr. Knödler – und die Brandursachenforschung.
Nach vielen „explosiven Beispielen“, die durch zahlreiche Videos anschaulich dargestellt wurden, ist für die Teilnehmer*innen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft nun sicherlich klar: Vorsicht bei Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen ist immer geboten und „Hände weg von nicht zugelassenen Böllern“ werden sich sicherlich alle merken.
Einen Einblick in die Arbeit eines Chemikers oder einer Chemikerin in der chemischen Industrie wollten ca. 40 Teilnehmer*innen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft erhalten und machten sich daher auf den Weg von Stuttgart zu Evonik in den Industriepark Wolfgang nach Hanau. Dort wurden die Teilnehmer*innen herzlich vom ehemaligen Senior Vice President R&D Nutrition & Care Prof. Dr. Stefan Buchholz begrüßt, der diesen Besuch als Honorarprofessor der Universität Stuttgart überhaupt erst möglich gemacht hat.
Sicherlich ist bei einigen Teilnehmenden die Firma Evonik nicht sofort präsent gewesen, wenn von chemischer Industrie die Rede ist, denn Evonik produziert weder Autoreifen noch Matratzen, auch keine Tabletten oder Tiernahrung, also keine Dinge des täglichen Konsums. Trotzdem stecken Evonik-Produkte in vielen dieser Endprodukte, da das Spezialchemie-Unternehmen Zusatzstoffe liefert, welche diese verbessert. So sieht es Evonik als Ziel an, das Leben der Menschen mit innovativen Lösungen zu verbessern. Da für eine Firma naturgemäß Ertrag und Wachstum wichtig sind, müssen dazu ständig neue Themen in Form von Innovationsfeldern definiert werden. So sind die Innovationszentren von Evonik über die ganze Welt verteilt und z.B. in Shanghai (China), Singapur, Allentown (USA) oder Mumbai (Indien) angesiedelt. Weiterhin besteht eine Anzahl strategischer Partnerschaften mit Universitäten.
Nach der Einführung ins Thema „Innovation bei Evonik“ durch Dr. Reza Ghahary, wurden mit „Chemisches Recycling bei Evonik“ und einer „Einführung in Rheticus“ zwei Innovationsfelder vorgestellt. Da Nachhaltigkeit in der Konzernstrategie verankert ist – Evonik hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein – ist die Kreislaufwirtschaft ein Forschungsfeld bei Evonik. Ein Großteil des hergestellten Plastiks hat z.B. in Form von Verpackungen nur eine kurze Lebensdauer und landet dann im gelben Sack. Von diesen Verpackungen wird weiterhin ein Großteil verbrannt statt recycelt. Plastikmüll sollte aber als Wertstoff angesehen werden und im Kreislauf verbleiben. Um hierzu einen Beitrag zu leisten, beschäftigen sich Mitarbeiter*innen bei Evonik mit dem chemischen Recycling. Hierbei wird der Plastikabfall mithilfe von Katalysatoren in seine Grundbausteine, die Monomere, zerlegt, um anschließend aus diesen Monomeren wieder Polymere herzustellen. Diese sollten möglichst ähnlich gute Eigenschaften wie ein Neumaterial haben. So hat Evonik z.B. für das Polyurethanrecycling bereits maßgeschneiderte Katalysatoren entwickelt, mit denen PU-Weichschaum aus alten Matratzen recycelt und in neuen Matratzen wiederverwendet werden kann.
Das Projekt Rheticus wurde von Dr. Thomas Haas vorgestellt. Es beschäftigt sich mit der innovativen Technologie der künstlichen Photosynthese. Dabei wird regenerative Energie verwendet, um aus CO2 und Wasser mithilfe von Bakterien Spezialchemikalien nachhaltig zu produzieren. In einem Elektrolyseur wird Wasser in die Elemente zerlegt, in einem weiteren CO2 zu Kohlenmonoxid reduziert. Spezielle Mikroorganismen verstoffwechseln dann CO und H2 zu Chemikalien wie z. B. Hexansäure, Butanol oder Hexanol. Diese können als Edukte in der Nahrungsmittel- oder Chemieindustrie eingesetzt werden. Diese Versuchsanlage konnte leider nicht besichtigt werden, da sie am Standort Marl und nicht in Hanau aufgebaut ist.
Nach dem anschließenden Mittagessen wurde die Stuttgarter Gruppe aufgeteilt und erhielt nun die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und sich Produktionsstätten und Pilotanlagen anzusehen. Während sich die erste Gruppe die Blausäureherstellung nach den Andrussow- und BMA-Verfahren ansah, stand für die zweite Gruppe die Katalysator-Führung auf dem Programm.
Das Andrussow-Verfahren, eine der wichtigsten Methoden zur großtechnischen Herstellung von HCN, ist ein Direktsynthese-Verfahren. Bei diesem Verfahren wird ein Gemisch aus Ammoniak und Methan bei über 1000°C an einem Platinnetz-Katalysator umgesetzt. Die benötigte Prozesswärme für die endotherme Reaktion wird durch Zugabe von Luft und Verbrennung eines Teils des Reaktionsgemenges erzeugt. Im BMA-Verfahren wird Blausäure ebenfalls aus Methan und Ammoniak gewonnen, wobei hier ein mit dem Katalysator innenbeschichtetes Reaktionsrohr von außen beheizt wird.
Bei der Katalysator-Führung wurde eine Anlage zur Produktion von aktivierten Nickelkatalysatoren besucht, die die Studierenden im Studium als Raney-Nickel kennengelernt haben. Dabei konnte die komplette Produktionsanlage – angefangen bei der Herstellung der Nickel-Aluminium-Legierung, über das grobe Zerkleinern mit einem Backenbrecher und das Mahlen bis hin zur Auswaschung des Aluminiums mit NaOH sowie Abfüllen des Katalysators – besichtigt werden. Anwendung finden diese Katalysatoren dann in verschiedenen Hydrierungsreaktionen.
Es folgten noch Einblicke in ein Elektrochemie-Labor, in dem an der Abtrennung von Mikroplastik aus Abwässern mithilfe elektrochemischer Prozesse geforscht wird, der Besuch des Verfahrens-Technikums Partikel sowie einer „Netzwerkstatt“, bei der der Materialwissenschaftler Dr. Frank Löffler seinen Werdegang von der Universität zu seiner jetzigen Stelle als Prozessingenieur bei Evonik beschrieb. Damit konnte er den Studierenden einen Einblick in eine mögliche berufliche Zukunft nach dem Studium gewähren und ein paar gute Tipps für den Berufsstart mit auf den Weg geben.
Für die Studierenden war es eine lohnende Exkursion, bei der sie einen guten Einblick in ein mögliches Tätigkeitsfeld nach der Ausbildung an der Universität erhalten konnten.
Ein besonders herzlicher Dank geht an Frau Dr. Aymeé Michel, die diese Exkursion vorbereitet und vor Ort durchgeführt hat, sowie allen Expert*innen bei Evonik, die uns die unterschiedlichen Forschungsgebiete nahegebracht und erläutert haben und für Fragen zur Verfügung standen.
Vier Termine, acht Gruppen – so viele Teilnehmer*innen wie bisher noch nie haben an den Experimentiernachmittagen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft im Februar und März 2024 im Fehling-Lab der Universität Stuttgart teilgenommen. Für die 10.-Klässler*innen lautete das Thema „Titration“, während die Teilnehmer*innen aus der Klassenstufe J1 Experimente mit Mikrowellenöfen durchführten und sich die J2-er mit der Photosynthese beschäftigten.
Die Schüler*innen der 10. Klasse hatten vorher im Chemie-Unterricht abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen noch keine Titration durchgeführt, da dies meist erst in der Oberstufe behandelt wird. Somit konnten die Teilnehmer*innen hier schon Techniken erlernen und nützliche praktische Hinweise bekommen, die in einer kleineren Gruppe leichter zu vermitteln sind als in einer Schulklasse. Zunächst probierten die Schüler*innen aber aus, welche Farben unterschiedliche Indikatoren im sauren, neutralen und alkalischen Milieu zeigen, damit sie dann bei der Titration auch den Umschlagspunkt gut erkennen und einen geeigneten Indikator auswählen können. In einem Vorversuch wurde dann noch in einer Petrischale die Reaktion von Zitronensäure mit Soda betrachtet. Anschließend titrierten die Schüler*innen Salzsäure mit Natronlauge und lernten, wie man mit Hilfe der erhaltenen Ergebnisse die Konzentration der „unbekannten“ Salzsäure-Lösung berechnet. In einer weiteren Titration wurde bestimmt, ob die Konzentrationsangabe auf einer Essig-Flasche auch tatsächlich stimmt.
Die Schüler*innen der Klassenstufe J1 führten Experimente in einem Mikrowellenofen durch. Dazu stellten sie sich zunächst die Frage, was eigentlich passiert, wenn man Speisen oder Getränke in einem Mikrowellenofen erwärmt. Warum „poppen“ Maiskörner im Mikrowellenofen? Verdampft dabei wirklich Wasser? Wie verhalten sich andere Stoffe in Mikrowellen? Nach einem Popcorn-Experiment, wurde ein mit 1 ml Wasser gefüllter Luftballon und ein leerer, verschlossener Luftballon in die Mikrowelle gelegt. Der mit Wasser gefüllte Luftballon dehnte sich nach einer Minute im laufenden Mikrowellenofen merklich aus, was die Annahme, dass Wasser verdampft, verifizierte. Die Schüler*innen wussten natürlich, dass Wasser ein polares Molekül ist. Was passiert aber mit unpolaren Substanzen wie Speiseöl oder einer Salzlösung, bei der Ionen in Wasser gelöst sind? Hierzu wurden verschiedene Schnappdeckelgläschen in den Mikrowellenofen gestellt und ihre Temperatur durch Fühlen nach einer gewissen Zeit ermittelt. Tatsächlich war das mit Salzlösung gefüllte Gläschen am wärmsten, gefolgt von dem mit Wasser gefüllten Glas. Ein mit Aluminiumfolie umwickeltes und mit Wasser gefülltes Schnappdeckelglas hingegen erwärmte sich nicht, was zu dem Schluss führte, dass Aluminium die Mikrowellen reflektiert.
„Wo stellt ihr denn eine Tasse in die Mikrowelle?“, wollten die betreuenden Mitarbeiter*innen des Fehling-Labs nun wissen. Hier waren sich die Schüler*innen einig: natürlich in die Mitte. „Dann wollen wir mal schauen, ob das so richtig ist,“ antworteten die Mitarbeiter*innen, was zum nächsten Experiment, der Bestimmung des Hotspots des Mikrowellengerätes, überleitete. Mithilfe einer Styroporplatte, die mit befeuchtetem Küchenkrepp und Thermo-Fax-Papier belegt wurde, konnten durch die Schwärzung des Fax-Papiers die Hotspots bestimmt werden. „Daher ist in jedem Mikrowellenofen auch ein Drehteller, damit das Essen gleichmäßig erwärmt wird.“, wurde den interessierten Schüler*innen erklärt.
Die Ermittlung des Hotspots fand dann Anwendung beim Schmelzen von einer Glasmischung, aus der die Schüler*innen als Andenken an den Experimentiernachmittag im Fehling-Lab türkisblau gefärbte Glasnuggets gossen. Leider ging hier nicht jedes Experiment gut – aber auch ein zerstörtes Tiegelsystem sorgte bei den Teilnehmer*innen für ein Aha-Erlebnis und die Erkenntnis, dass beim Experimentieren eben nicht immer alles so klappt, wie es eigentlich gewünscht ist.
Die Schüler*innen der Kursstufe 2 durften Experimente zur Fotosynthese durchführen, ein Programm, das erst neu in das Repertoire des Fehling-Labs aufgenommen worden war. Obwohl die meisten der Schüler*innen keine Biologie in der Oberstufe gewählt hatten, brachten sie ein gutes Vorwissen mit. So konnten sie schnell erarbeiten, warum eine grüne Chlorophylllösung beim Bestrahlen mit UV-Licht dunkelrot erscheint: das UV-Licht wird vom Chlorophyll absorbiert und Elektronen in einen höheren energetischen Zustand angehoben. Beim Zurückfallen der Elektronen in den Grundzustand wird Energie in Form von Wärme oder rotem Licht frei. Diese Energie kann dann für die Fotosynthese genutzt werden. Um eine Chlorophyll-haltige Lösung selbst herzustellen, schnitten die Schüler*innen Basilikum-Blätter klein und kochten unter Hinzufügen von Spiritus einen alkoholischen Chlorophyllauszug. Durch das Erhitzen werden die Zellwände und Zellmembranen zerstört und die Chlorophyllmoleküle dann mit Ethanol extrahiert. Dieser dunkelgrüne Farbstoff wurde dann durch Dünnschichtchromatographie in seine Bestandteile Lutein, Chlorophyll a und b und b-Carotin aufgetrennt, da diese je nach Polarität besser mit dem polaren Chromatographie-Papier bzw. dem unpolaren Laufmittel wechselwirken. Anschließend wurde noch die chemische Gleichung für die Fotosynthese erarbeitet, bei der aus Kohlenstoffdioxid und Wasser Glucose und Sauerstoff entsteht.
Nun sollte noch ein Stärkenachweis durchgeführt werden. Dabei galt es herauszufinden, welche Substanz für die Bildung von Stärke verantwortlich ist. Dazu wurde zunächst ein Kartoffelextrakt hergestellt, welcher nicht positiv auf den Iod-Stärke-Nachweis reagieren durfte. Nun gaben die Schüler*innen je 4 Tropfen Kartoffelextrakt in die 9 Vertiefungen einer Tüpfelplatte, versetzten drei Vertiefungen reihenweise mit je 1 Tropfen Glucose-Lösung und drei weitere mit je 1 Tropfen Glucose-1-phosphat-Lösung, während die übrigen drei Extrakte als Blindprobe dienen sollten. Dann wurde nach 0, 5 und 10 Minuten zu jeweils einer Spalte aus den drei unterschiedlichen Lösungen 1 Tropfen Lugolsche Lösung hinzugegeben. Nur die mit Glucose-1-phospat versetzte Lösung zeigte eine Braunfärbung und damit einen positiven Iod-Stärke-Nachweis. Damit hatten die Schüler*innen den Nachweis erbracht, dass zur Bildung von Stärke Glucose-1-phosphat notwendig ist.
Ein besonderer Dank für die erlebnisreichen Experimentiernachmittage im Fehling-Lab gilt Herrn Dr. Marco Spurk, dem Geschäftsführer des Fehling-Labs, Frau Annette Capudi für die Organisation sowie den betreuenden Lehrkräften Sandra Heske, Elke Pilz, Eva Rambach, Kerstin Keßler, Berivan Zeyrek sowie Fabian Rex für die gelungenen Experimentiernachmittage.
Im Chemie-Unterricht oder in den Vorlesungen sind sie allgegenwärtig: Moleküle. Sie bestimmen das theoretische Verständnis in der Chemie und verwandten Wissenschaften und wir haben sehr konkrete Vorstellungen von ihnen. Doch mit bloßem Auge hat sie noch niemand gesehen. Warum malen wir sie meist als Strichmännchen? Sind Schwefelatome wirklich gelb? Diesen Fragen gingen die Teilnehmer*innen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft in einem Vortrag von Herrn Professor Andreas Köhn vom Institut für Theoretische Chemie nach.
Wir zeichnen eine Lewis-Formel für Wasser, stellen uns aber ein Glas voll Wasser vor. Damit ist das Molekül ein Repräsentant für den Stoff, den wir vor uns sehen. Chlor-Moleküle werden im Kugel-Stab-Modell als zwei grüne Kugeln für die Chlor-Atome, die durch einen Stab als Bindung miteinander verbunden sind, dargestellt. Warum wählt man die Farbe grün? Sind die Chlor-Atome wirklich grün oder stellen wir sie nur grün dar, weil Chlorgas grünlich ist? Moleküle stellen die Grundlage für das klassische chemische Denken dar. Aber gibt es Moleküle denn überhaupt? Hier zitiert Professor Köhn den Physiker und Wissenschaftsphilosophen Ernst Mach mit den Worten: „Ham se welche gesehen?“
Mit bloßem Auge kann man Moleküle nicht sehen, da sie mit ca. 1 bis 10 nm Größe um den Faktor 105 bis 106 kleiner sind als ein menschliches Haar. Wir wissen aber trotzdem etwas über Moleküle, wenn wir uns z.B. chemische Grundgesetze wie das Gesetz der konstanten Proportionen, die Gasgesetze oder auch Symmetrien ansehen. Hier sehen die Teilnehmer*innen die allen wohlbekannte chemische Gleichung der Knallgasreaktion, was Professor Köhn launig mit den Worten kommentiert: „Die Reaktion könnte ich jetzt vorführen – kann ich aber nicht, ich bin ja Theoretiker.“ Sichtbar machen kann man Atome und Moleküle aber über spezielle Methoden wie der Röntgendiffraktion oder der Rastertunnel- und Rasterkraftmikroskopie. An ausgewählten Beispielen zeigt Professor Köhn, dass solche Bilder eine frappierende Ähnlichkeit zu unseren Lewis-Formeln aufweisen. Es ist also mit etwas experimentellem Aufwand also doch möglich, Moleküle zu „sehen“ und unsere Vorstellung, wie wir Moleküle auf das Papier zeichnen, scheinen doch nicht zu weit hergeholt zu sein. Allerdings zeigt sich hier auch, dass die Atome keine Farben haben.
Einen weiteren Zugang in die Welt der Moleküle stellen Simulationen dar. Durch quantenmechanische Modelle erzeugt man so Ordnung im quantenmechanischen Chaos. Die Visualisierung der Moleküle hilft uns, Aussagen darüber zu machen, welches Atom an welches andere gebunden ist, wie die räumliche Orientierung aussieht, welche Symmetrie vorliegt oder auch, welche Raumerfüllung ein Molekül hat. Räumliche Modelle gibt es aber nicht nur in Form eines Molekülbaukastens sondern auch auf dem Computer-Bildschirm. Dies konnten die Teilnehmer*innen nun an ihren Laptops selbst ausprobieren. Extra dafür hatten die Mitarbeiter*innen von Professor Köhn Tutorials geschrieben, die auf Jupyter-„Notebooks“, einer OpenSource-Software für interaktive wissenschaftliche Datenauswertung und wissenschaftliche Berechnungen, ausgeführt wurden. Hier konnten sich die Teilnehmer*innen zunächst das Salicylsäure-Molekül, Insulin und ein DNA-Fragment in unterschiedlichen Darstellungsarten ansehen, vergrößern und drehen.
Dann erfuhren die Teilnehmer*innen in einem zweiten Tutorial, wie sie über SMILES (Simplified Molecular-Input Line-Entry System) Moleküle mithilfe einer Textfolge einfach aufbauen können. Hier konnten dann nach Belieben langkettige Moleküle und Ringe „gebaut“ werden. Im letzten Tutorial wurde noch eine Molekulardynamik-Simulation vorgeführt, die Bewegungen eines Moleküls bei Zimmertemperatur zeigt.
Zum Abschluss führte Professor Köhn noch mit seinem Doktoranden Robert Adam vor, woran die Gruppe momentan in einer Kooperation mit dem Visualisierungsinstitut
der Universität Stuttgart (VISUS) forscht. Der Doktorand setzte dazu eine Augmented-Reality-Brille auf und die Teilnehmer*innen konnten live an der Projektionswand verfolgen, dass Herr Adam nicht nur den gut gefüllten Hörsaal, sondern auch noch eine Reihe virtueller Molekülmodelle sehen konnte. Mit Hilfe von Gestensteuerung konnte er neue Atome "erzeugen" und zu 3D-Modellen zusammensetzen, die er quasi in die Hand nehmen konnte.
Somit ist die Darstellung von Molekülen immer noch Forschungsgegenstand, hier aber in Form von Human-Computer-Interaction in 3D. Leider konnte die AR-Brille nicht von den Teilnehmer*innen ausprobiert werden, weil dies den Rahmen des Vortrags gesprengt hätte.
Unser Dank gilt allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe von Professor Köhn, die diesen Vortrag erst möglich gemacht haben.
Nachdem sich die Teilnehmer*innen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft bereits im ersten Vortrag dieses akademischen Jahres mit dem Klimawandel und den Möglichkeiten, CO2 zu speichern, beschäftigt hatten, sollte dieses Thema bei der Exkursion zur Klima-Arena nach Sinsheim noch einmal vertieft werden. Ca. 80 Schüler*innen und Studierende der Eliteakademie nahmen an der Exkursion teil.
Eine Übersichtsführung in Gruppen zu je 20 Teilnehmer*innen gab zunächst einen Überblick über die Ausstellung und ihre vier Bereiche „Grundlagen des Klimawandels“, „Wohnen und Energie“, „Mobilität“ und „Lebensstil/Konsum“. Die Grundlagen des Klimawandels waren den Teilnehmer*innen sicherlich bereits überwiegend bekannt. Wir Menschen beeinflussen vor allem durch Verbrennung fossiler Brennstoffe den CO2-Gehalt in der Atmosphäre, erhöhen so die Mengen der natürlich vorkommenden Treibhausgase und verstärken somit den Treibhauseffekt. Es kommt zur Klimaerwärmung, was Auswirkungen auf alle Teile unserer Welt hat. Auf einem interaktiven Globus war zu sehen, wo der Meeresspiegel aufgrund des Schmelzens des Eises in den arktischen und antarktischen Gebieten in verschiedenen Szenarien am meisten ansteigen wird. Ebenso konnten Niederschlagsmengen, extreme Wetterereignisse und Waldbrände auf dem Globus sichtbar gemacht werden. Im Gletscherkino erfuhren die Besucher*innen, wie unsere Welt in ca. 100 Jahren aussehen wird, wenn wir dem Klimawandel nicht entschieden entgegentreten. Hier machten sich die Teilnehmer*innen auf eine Reise in den Regenwald des Amazonasgebiets, der nicht mehr so wie heute existieren wird. Ein dystopisches Szenario erwartete die Reisenden.
Die weiteren Bereiche der Ausstellung beschäftigten sich mit den Gebieten, in dem jeder Besucher und jede Besucherin der Klima-Arena durch eigene Verhaltensänderungen einen Beitrag zum Klima-Schutz leisten kann. Im Bereich „Wohnen“ steigt unser Energiebedarf weiterhin an – hier gibt es aber große Einsparpotentiale. So setzt sich der Energieverbrauch eines durchschnittlichen Haushalts zu 70 % aus Raumwärme und je 15 % Warmwasser und Strom zusammen. Hier wird schnell deutlich, dass schon das Herabsenken der Zimmertemperatur um 1 °C zu einer beträchtlichen Energieeinsparung führt. Sicherlich ist auch nicht jedem/jeder wirklich klar gewesen, dass für 10 Minuten Duschen die gleiche Energie verbraucht wird wie für ein Vollbad.
Wie eine lebenswerte Stadt der Zukunft aussieht, zeigte die Klimastadt, die viele Themen wie smarte Verkehrsführung, Begrünung von Gebäuden und Schaffung von weiteren Grünflächen erlebbar machte.
Auch im Bereich der Mobilität steigen die Emissionen weiter, da der Verkehr stetig zunimmt. Welche Arten der Mobilität werden sich in der Zukunft durchsetzen, welche Antriebsmodelle gibt es? Im Mobil der Zukunft informierten sich die Teilnehmer*innen über die Mobilitätsformen von morgen und versuchten in einem Mobilitätsplanspiel unterschiedliche Verkehrsmittel so zu kombinieren, dass sie am klimafreundlichsten zu ihrem Ziel Klimahausen gelangten.
Beim Themengebiet „Lebensstil und Konsum“ ging es schließlich darum, wie sich unser Konsum auf das Klima auswirkt. Wie können wir nachhaltiger konsumieren, welche CO2-Emissionen sind mit der Herstellung verschiedener Güter verbunden? Wieviel Wasser benötigt man zur Erzeugung von 1 kg Rindfleisch? Warum sollte ich besser regional und saisonal einkaufen, wenn ich das Klima schützen will? Auch in diesem Bereich der Ausstellung konnten die Teilnehmer*innen an vielen interaktiven Stationen – z.B. im interaktiven Supermarkt – erfahren, welche Handlungsoptionen sich in unserem täglichen Leben bieten, klimafreundlich und nachhaltig zu konsumieren.
Nach der jeweiligen Führung konnten die Teilnehmer*innen im Klimaquiz ihr Wissen über den Klimawandel testen und sich dann im weitläufigen Außengelände bei bestem Wetter ausruhen, dabei aber auch viele Informationen zum Themenbereich „Lebensraum Natur“ und „Wirtschaftsraum Natur“ erhalten. So werden sicherlich viele Teilnehmer*innen in Zukunft darauf achten, dass sie oder ihre Eltern nur noch „torffreie“ Blumenerde kaufen, da für den Torfabbau Moorlandschaften trockengelegt werden und durch den Abbau des Torfes dann in Mooren gebundener Kohlenstoff als Kohlenstoffdioxid freigesetzt wird – was selbstverständlich wieder zur Klimaerwärmung beiträgt.
Zu Abschluss wurde im Gletscherkino extra für unsere Gruppen noch ein zweiter Gletscherkinofilm gezeigt, der sich mit dem Thema „Smart Grid“, also intelligente Stromnetze beschäftigte. Hier wurde die Kombination der Erzeugung, Speicherung und Verbrauch sowohl lokal als auch zeitabhängig thematisiert, sowie die Power-to-Gas-Methode (Herstellung von grünem Wasserstoff durch Wasserelektrolyse mittels erneuerbarer Energien) erläutert.
Einen guten Ratschlag gab eine der Gästebetreuerinnen, die eine Führung durchführte, den jungen Teilnehmer*innen mit auf den Weg: Wir müssen etwas tun, um unser Klima zu schützen und unsere Welt zu retten, aber nehmt euch nicht zu viel vor. Überlegt euch jeder eine Kleinigkeit, die ihr in eurem Verhalten ändern wollt. Wenn ihr euch viel vornehmt, werdet ihr es kaum durchhalten können. Daher ist es besser, wenn jeder eine Kleinigkeit ändert und dies konsequent tut.
Vieles haben die Teilnehmer*innen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft sicherlich schon gewusst, manches wird aber auch neu und interessant gewesen sein. Vor allem die Reise in die Zukunft im Gletscher-Kino war so eindrucksvoll, dass eigentlich keiner mehr die Augen vor dem Klimawandel verschließen kann.
Chemie in Lebensmitteln – ohne Chemie geht es überhaupt nicht, denn selbst Kochen ist angewandte Chemie. Nicht einmal ein Rührei bekommt man ohne chemische Reaktionen hin. Ein eindrucksvoller Nachweis, dass in Lebensmitteln „Chemie steckt“ zeigen auch Anthocyane in Rotkohl, die als pH-Indikatoren genutzt werden können, da sie abhängig vom pH-Wert ihre Farbe ändern. Solche Anthocyane werden daher auch zur Einfärbung von Lebensmitteln genutzt und müssen dann als Zusatzstoff gekennzeichnet werden, obwohl es natürlich in Lebensmitteln vorkommende Verbindungen sind.
Professor Jens Brockmeyer, Referent der Veranstaltung, stellte den Teilnehmer*innen dann eine Frage: „Dicarbonlyverbindungen reagieren mit Nucleophilen nach Decarboxylierung und NH2-Übertragung weiter zu flüchtigen N-Heterozyklen… - würden Sie so etwas essen?“ Das hört sich ganz schön gefährlich an, wird so mancher im Auditorium gedacht haben und war sicherlich gespannt, wie die Lösung des Rätsels sein würde. Zunächst führte Professor Brockmeyer aber in die Wahrnehmung von Lebensmitteln mit allen Sinnen ein. Alle Sinne sind dabei neben der visuellen Beurteilung, der Geschmack, der Geruch, die Haptik aber auch welche Geräusche ein Lebensmittel macht, wenn man hineinbeißt. Flüchtige Aromastoffe werden über das Riechepithel wahrgenommen. Dabei besitzt jeder Mensch etwa 350 verschiedene Geruchsrezeptoren und kann damit zwischen 4000 und 10000 Aromastoffe wahrnehmen. Die Substanzen binden dabei an mehrere Rezeptoren, die ein Muster auslösen, die integrale Signalverarbeitung findet dabei im Riechhirn statt. Geruch ist damit eine Mustererkennung: Ähnliche Strukturen können zu unterschiedlichem Geruch, unterschiedliche Strukturen zu ähnlichem Geruch führen. Dabei ist der Mensch ein Mikrosmat – ein Geruchszwerg – der deutlich weniger Gerüche wahrnehmen kann als beispielsweise ein Hund. Aromastoffe müssen aber oftmals erst freigesetzt werden. Dies zeigt sich eindrucksvoll am Beispiel einer Zwiebel, die als ganze Knolle zunächst nicht sonderlich riecht. Erst durch Gewebsverletzung, z.B. als Professor Brockmeyer die Zwiebel raspelt, werden die Aromastoffe freigesetzt. Allein durch das Aufschneiden werden bereits chemische Reaktionen in Gang gesetzt – ein Enzym induziert z.B. die Reaktion, die Z-Propanthial-S-oxid bildet, die Substanz, die dafür sorgt, dass Zwiebeln tränenreizend sind. Auch bei einer Gurke werden die Aromastoffe erst durch Gewebsverletzung enzymatisch gebildet, was Professor Brockmeyer mit seinem Enzyminkubator (in der Küche würde man Reibe dazu sagen) ausführt. Die ursprüngliche Frage nach der komplizierten Reaktion und ob man so etwas essen würde, stellt sich als Röstaroma heraus, wie man es z.B. bei Popcorn erhält – nun sind sich die Teilnehmer*innen einig, dass sie so etwas auf jeden Fall essen würden.
Im Gegensatz zu vielen Gerüchen, die wir wahrnehmen können, nimmt der Mensch nur fünf unterschiedliche Geschmacksrichtungen wahr: süß, sauer, salzig, bitter und umami. „Der Weihnachtskeks schmeckt nicht nach Zimt – Zimt nimmt man nur über die Nase wahr", so Professor Brockmeyer.
Eine weitere Lektion, welche die Teilnehmer*innen lernten war, dass auch Möhren gestresst sein können. Hierzu führte Professor Brockmeyer ein Beispiel von Babybrei an, der zurückgerufen werden musst, da die Möhren zu bitter waren und die Babys, die noch über eine höhere Bitterwahrnehmung verfügen, diesen verweigerten. Die Möhren waren vom LKW gekippt worden und dieses Schütteln führte bei ihnen zu Verfärbungen und Bildung bitterer Sekundärmetabolite.
Kann auch etwas ohne Zucker oder Süßstoff süß schmecken? Ja – wenn man Miraculin zu sich nimmt. Dieses ist zunächst geschmacklos und bindet an den Süßrezeptor. In Anwesenheit von Säure schmeckt danach alles süß – was auch für sogenannte „flavour tripping parties“ genutzt wird.
„Mögen Sie „GRILLEN“?“- will Professor Brockmeyer dann wissen und suggeriert mit einem Foto, das ihn selbst an einem Kugelgrill zeigt, dass es jetzt vielleicht um giftige Substanzen gehen könnte, die beim Grillen freigesetzt werden. Er meinte aber nicht das Grillen sondern vielmehr die Grillen und hat essbare Insekten, in diesem Fall frittierte Grillen mitgebracht, die zum Probieren herumgegeben werden. Während einige der Teilnehmer*innen angewidert das Gesicht verziehen, trauen sich die ganz Mutigen an eine Kostprobe heran. Dabei ist allerdings beim Verzehr von essbaren Insekten eine Kreuzreaktion bei einer Lebensmittelallergie gegen Krustentiere möglich. Das relevante Panallergen ist hierbei Tropomyosin. Durch ein spezielles Markerprofil kann massenspektrometrisch nachgewiesen werden, ob das Tropomyosin aus einem Krustentier oder aus Insekten stammt.
Eine weitere interessante Allergie ist das Alpha-Gal-Syndrom. Alpha-Gal steht für Galaktose-alpha-1,3-Galaktose, einen Zucker, der im Fleisch der meisten Säugetiere zu finden ist. Das Alpha-Gal-Syndrom kann sich nach einem Zeckenstich entwickeln, durch den Alpha-Gal in die menschliche Blutbahn gelangen kann. Dort ruft es eine Immunreaktion hervor. Der Organismus bildet Antikörper. Da der Körper nun Antikörper gegen Alpha-Gal gebildet hat, reagiert er künftig bei Verzehr von rotem Fleisch mit Abwehrreaktionen. Dabei sind besonders Jäger häufig betroffen, da sie sich viel in der Natur aufhalten und daher öfter von Zecken gebissen werden. Ein Verzehr von Wildbret kann dann für sie lebensgefährlich werden.
Nach diesem interessanten Vortrag aus dem Bereich der Lebensmittelchemie gab es für die Teilnehmer*innen auch noch eine Belohnung zum Mitnehmen. Sie durften aussuchen, ob sie lieber geröstete Grillen, Miraculin oder einen Insektenlutscher in den Geschmacksrichtungen Apfel-Grille oder Orange-Mehlwurm mit nach Hause nehmen wollten.
Nach 28 Jahren an der Universität Stuttgart tritt Professor Dr. Thomas Schleid mit einer launig vorgetragenen Abschiedsvorlesung im Rahmen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft vom Vorlesungsalltag ab. Dabei zeigte er den Schüler*innen und Studierenden noch einmal, was so faszinierend an der Chemie ist und führte mit Unterstützung von Denisa Heindel und Katarzyna Anna Raczynska-Warbinek zahlreiche Experimente zum Thema „Stickstoff: Inertgas, Dünger und Knallerelement“ vor.
Sein Chemiestudium an der Justus-Liebig-Universität Gießen schloss Thomas Schleid 1985 mit der Diplomarbeit und 1988 mit der Dissertation über „Metallothermische Reduktion von Chloriden und Bromiden der Lanthanoide“ ab und habilitierte sich 1993 zum Thema „Zur Kristallchemie von Selten-Erd-Sesquisulfiden und ihren Derivaten“ am Institut für Anorganische Chemie der Universität Hannover. Nach einem Zwischenspiel als Universitätsprofessor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. wechselte Thomas Schleid 1996 an die Universität Stuttgart, der er bis zur Pensionierung treu geblieben ist. Dass Thomas Schleid ein engagierter Dozent ist, konnte er in seiner Abschiedsvorlesung noch einmal gekonnt unter Beweis stellen.
Nach 28 Jahren aktivem Dienst als Professor für Anorganische Chemie verabschiedete sich Professor Dr. Thomas Schleid mit einer Abschiedsexperimentalvorlesung im Rahmen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft vom Vorlesungsalltag. Der Titel „Stickstoff: Inertgas, Dünger und Knallerelement“ ließ die Teilnehmer*innen der Eliteakademie und viele weitere anwesende Studierende und Mitarbeiter*innen auf manchen spektakulären Versuch hoffen, die von den Vorlesungsassistentinnen Denisa Heindel und Katarzyna Anna Raczynka-Warbinek vorbereitet worden waren.
Bevor es an die zahlreichen Experimente gehen sollte, führte Professor Schleid in das Element Stickstoff ein und hob seine Stellung im Periodensystem umrahmt von Kohlenstoff, Phosphor und Sauerstoff hervor. So wurde die Verbrennung von Phosphor in einer großen Glasglocke, die in einem Indikatorlösung versetztem Wasser in einem Wasserbehälter steht vorgeführt. Zunächst bildete sich weißer Nebel von P4O10. Das Phosphor(V)-oxid löste sich dann unter Bildung von Phosphorsäure im Wasser, was durch den Umschlag des Indikators gezeigt werden konnte. In Anlehnung an Antoine de Lavoisier nannte Professor Schleid dann auch die Begriffe „gute Luft“ für Sauerstoff und „schlechte Luft“ für Stickstoff, nach dem griechischen Begriff ázotos für „kein Leben“. Während Sauerstoff im Knallgasballon mit Wasserstoff nach Zündung in der Knallgasreaktion zu Wasser reagiert, macht Stickstoff – nichts. Allen im Hörsaal ist bekannt, dass sowohl Sauerstoff als auch Stickstoff zweiatomige Moleküle sind, für einige der Schüler*innen dürfte aber neu gewesen sein, dass Sauerstoff ein Molekül mit zwei ungepaarten Elektronen ist, was Professor Schleid anhand des MO-Schemas erklärte und mittels eines Experiments zeigt. Während flüssiger Stickstoff im inhomogenen Magnetfeld keine Ablenkung zeigt, wird flüssiger Sauerstoff ins Magnetfeld hineingezogen.
Experimente mit flüssigem Stickstoff dürfen natürlich nicht fehlen. Dabei werden ein Schlauch, ein Ball und natürlich die obligarorische Rose in flüssigen Stickstoff getaucht werden. Alle werden dabei spröde und brechen bei leichter Berührung. Danach gießt Denisa Heindel Stickstoff durch einen Filzhut. Der Stickstoff fließt ungehindert durch den Filz – eine willkommene Abkühlung an einem schwül-heißen Tag für Professor Schleid, der sich den Hut sogleich zur Abkühlung aufsetzt. Dann zündet er sich eine Zigarette an: „Ich habe das Rauchen schon vor etwa 30 Jahren aufgegeben, aber für Sie zünde ich mir gerne noch einmal eine Zigarette an.“, sagt er, um diese dann in flüssigen Stickstoff – die Zigarette erlöscht – bzw. in flüssigen Sauerstoff zu werfen – die Zigarette brennt lichterloh. Stickstoff hat auch hier seinem Namen wieder alle Ehre gemacht und die Flamme erstickt. Professor Schleid weist die Zuhörer*innen noch auf die blaue Farbe von flüssigem Sauerstoff hin und bemerkt: „Sie können sich merken: Ungepaarte Elektronen sind meistens blau!“.
Wie kann elementarer Stickstoff aber dann in Verbindungen überführt werden. Allgemein bekannt ist den Teilnehmer*innen das Haber-Bosch-Verfahren zur Herstellung von Ammoniak aus den Elementen. Als weiteren Prozess nennt Professor Schleid das Birkeland-Eyde-Verfahren sowie das Ostwald-Verfahren zur Herstellung von Stickoxiden. NO2 kann dann in Wasser Salpetersäure bilden. Die Reaktion von Salpetersäure mit Kupfer unter Entstehung von nitrosen Gasen wird so auch vorgeführt.
Der nächste Aspekt von Stickstoff, der beleuchtet werden sollte, ist Stickstoff als Dünger. Stickstoffdüngung ist für die Pflanzenernährung wichtig, da nur Pflanzen den Stickstoff aus der Luft nicht direkt nutzen können. Nur einige Bakterien – sog. Knöllchenbakterien – sind in der Lage, molekularen Stickstoff aus der Luft zu binden und in lösliche Stickstoffverbindungen zu überführen. Ansonsten ist die Stickstoffzufuhr in Form von Ammoniumsalzen oder Nitraten notwendig. Ammoniumnitrat bezeichnete Professor Schleid dann als „Dünger mit Wumms“, da es einerseits zwar zur Herstellung von Düngemitteln verwendet wird, andererseits ein Sprengstoff ist, der bei unsachgemäßer Lagerung spontan explodieren kann. Als Beispiele führte Professor Schleid die Explosion des Ammoniakwerkes der BASF in Oppau im September 1921 sowie die Zerstörung des Hafens von Beirut im August 2020 an.
So sollte nun auch noch Stickstoff als „Knallerelement“ gezeigt werden, was in eindrucksvollen Experimenten wie der Silberazid-Zersetzung und der Zündung von Schwarzpulver vorgeführt wurde. Zum Schluss darf natürlich die Reaktion von Schießbaumwolle (Nitrocellulose) auf der Hand des Vortragenden nicht fehlen, die nach Entzünden augenblicklich mit gelblicher Flamme verbrannte, ohne die Hand von Professor Schleid zu schädigen. Auch ein nitrierter Socken ging augenblicklich in Flammen auf, während ein normaler Baumwollsocken sich nicht einfach entzünden ließ.
Mit diesen beeindruckenden Experimenten verabschiedete Professor Schleid sich unter dem Applaus der Teilnehmer*innen in den wohlverdienten Ruhestand.
Bei einer Brezel und einem Getränk ließen die Schüler*innen und Studierenden die letzte Veranstaltung der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft in gemütlicher Runde ausklingen. Etliche von ihnen werden nach diesem spektakulären Abschlussvortrag sicherlich schon entschieden haben, an der nächste Runde im akademischen Jahr 2024/25 erneut teilzunehmen.
Barbara Schüpp-Niewa
Dr.Leiterin Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft