Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft
Die Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaften im Rahmen der
School for Talents dient der Förderung der Besten unter den Studierenden der Fakultät 3 sowie der Förderung besonders begabter und motivierter Schülerinnen und Schüler der Klassen 10 und der Oberstufe.
Beitrag im studentischen Blog der Universität Stuttgart:
Als Schüler im Hörsaal - Nathanael begeistert sich für Chemie
Die leistungsstärksten Studierenden eines Jahrgangs werden durch fachbezogene Angebote gefördert, beispielsweise in einer Ringvorlesung von Professoren und führenden Wissenschaftlern der Fakultät, Kooperationspartnern anderer Fakultäten, Universitäten, Forschungseinrichtungen und der Industrie, und erhalten Unterstützung bei der Auswahl und Beantragung von außeruniversitären und Auslands-Praktika, Stipendien sowie einer aktiven Vermittlung von Forschungspraktika, Industrieexkursionen und Auslandsaufenthalten. Die Ringvorlesung wird im etwa 4-wöchigen Rhythmus stattfinden. Dabei schließt der intensive Diskurs eine grundlegende Einführung in die wissenschaftlichen Themen und deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz ein, gefolgt von einer intensiven Diskussion durch die Teilnehmer. Der anschließende enge soziale Kontakt zwischen Teilnehmerinnen, Teilnehmern, Dozentinnen und Dozenten liefert einen wichtigen Beitrag zur interdisziplinären Verknüpfung. Das Angebot wird durch Industrie- und weitere Exkursionen, die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Tagung sowie durch besondere Berücksichtigung der Mitglieder der Eliteakademie zur Teilnahme an Kursen der Ferienakademie Sarntal ergänzt.
Mitgliedern der Eliteakademie wird während des Bachelor-Studiums ein früherer Zugang zu Master-Wahlveranstaltungen ermöglicht. Ergänzend haben die herausragenden Studierenden der Eliteakademie die Möglichkeit, am Fast-Track-Programm teilzunehmen, indem sie während des Masterstudiums verstärkt in Projekte einzelner Forschergruppen eingebunden werden.
Jedes Jahr werden in den beteiligten Studiengängen bis zu vier Abschlussarbeiten aus dem Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Eliteakademie zu einer besonderen Auszeichnung ausgewählt, mit einem Vortrag am Tag der Fakultät besonders hervorgehoben und mit einer Urkunde der Eliteakademie ausgezeichnet.
Auswahlverfahren:
Die Auswahl zur Eliteakademie erfolgt über eine Fakultätsauswahl. In die Eliteakademie werden die jeweils leistungsstärksten Studierenden der Lehrbereiche Chemie und Materialwissenschaften aus den Studiengängen Chemie Bachelor und Master, Lebensmittelchemie Bachelor, Materialwissenschaften Bachelor und Master sowie den Teilstudiengängen Bachelor of Arts Chemie und Master of Education Chemie aufgenommen. Die Auswahl verläuft über Studienfortschritt und Notendurchschnitt.
Besonders begabte Schülerinnen und Schüler nehmen mit den Studierenden zusammen an der Ringvorlesung der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft teil. Außerdem erhalten Sie die Möglichkeit, innerhalb der Fakultät Chemie interessante Praktika durchzuführen sowie an einer wissenschaftlichen Tagung und ausgewählten Exkursionen teilzunehmen. Sie werden weiterhin bei der Teilnahme an Veranstaltungen des Schnupperstudiums inklusive dem Schnupperpraktikum Chemie, Schülerpraktika, dem Frühstudium sowie dem Kontakt und Zugang zu Forschungsgruppenleitern besonders berücksichtigt.
Die Bewerbung für das Programm findet zentral über die Homepage der Fakultät 3 der Universität Stuttgart statt.
Die Auswahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler aus den eingegangenen Bewerbungen trifft eine Auswahlkommission der Fakultät. Bewerbungsende war der 30. September 2024.
Die Auswahl der Schülerinnen und Schüler für das Schuljahr 2024/25 ist abgeschlossen. Eine Bewerbung ist erst wieder ab Juli 2025 für das Schuljahr 2025/26 möglich.
18.10.2024 Prof. Dr. Dr. Clemens Richert, Universität Stuttgart Experimentelle Studien zum molekularen Ursprung des Lebens |
22.11.2024 Prof. Dr. Albert Jeltsch, Universität Stuttgart Biochemie – Den Rätseln des Lebens auf der Spur |
17.01.2025 Prof. Dr. Michael Saliba, Universität Stuttgart The Versatility of Perovskite Materials for Optoelectronics |
19.02., 20.02., 25.02., 26.02. und 27.02.2025 Fehling-Lab, Universität Stuttgart Experimentiernachmittag für Schüler*innen |
11.04.2025 Prof. Dr. Anke Krüger, Universität Stuttgart Kohlenstoff: Das Chamäleon unter den Elementen |
voraussichtlich 24.05.2025 Exkursion |
27.06.2025 Prof. Dr. Michael Buchmeiser, Universität Stuttgart Feststoffbatterien |
Juli 2025 (genaues Datum folgt) Prof. Dr. Berthold Rasche, Universität Stuttgart Experimentalvorlesung Anschließend gemeinsamer Abschluss am Campus Beach |
Ein riesengroßer Andrang an wissensdurstigen Schüler*innen und Studierenden bahnte sich zur Eröffnungsveranstaltung der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft im akademischen Jahr 2025 den Weg in den Hörsaal V55.22. Da die Veranstaltung zugleich Teil des Stuttgarter Wissenschaftsfestivals war, nahmen zudem noch weitere naturwissenschaftlich Interessierte teil. So war im Hörsaal fast kein freier Platz mehr auszumachen.
Nach einem stimmungsvollen Einstieg, führte Professor Clemens Richert aus, worum es gehen sollte: „Wir werden heute nicht über Dinos sprechen, sondern über Moleküle und wie daraus Leben entstanden sein kann.“
Unser Planet Erde ist etwa 4,5 Milliarden Jahre als, relativ bald nach seiner Entstehung muss vor etwa rund 3,5 bis 4 Milliarden Jahren das erste Leben auf der Erde in Form von primitiven Einzellern entstanden sein. Dieser Ursprung des Lebens fasziniert Menschen seit vielen Generationen. Wie können Lebewesen aus unbelebter Materie entstanden sein? Die molekularen Bausteine des Lebens können Hinweise geben, die dabei helfen, diese Fragen zu beantworten.
Alles Leben scheint dieselbe auf DNA-Genomen und Proteinenzymen basierende Form zu haben. Die genetische Information der DNA-Sequenzen wird in der Zelle in Boten-RNA überschrieben und in Protein-Sequenzen übersetzt. Viele Fakten deuten jedoch darauf hin, dass es eine einfachere hauptsächlich auf RNA basierte Lebensform und damit einen Vorläufer-Organismus gab, aus dem sich die heutigen Arten entwickelt haben. Diese frühere Ära wird auch als „RNA-Welt“ bezeichnet. Doch selbst vor dem Vorläufer-Organismus, d.h. der "Urzelle", muss es eine molekulare Evolution gegeben haben, in der aus einfachen Molekülen funktionale Biomoleküle entstanden.
Die Theorie einer präbiotischen Suppe dominiert die Vorstellungen darüber, wie das Leben auf der Erde entstanden sein könnte. Danach sammelten sich organische Verbindungen in Tümpeln oder Urmeeren an und polymerisierten unter noch ungeklärten Umständen, wodurch zunehmend komplexere Makromoleküle entstanden, die schließlich die Fähigkeit entwickelten, ihre eigene Replikation zu katalysieren.
Experimentelle Belege für die Theorie der präbiotischen Suppe lieferte erstmals 1953 Stanley Miller. Er zeigte, dass wichtige Biomoleküle wie Aminosäuren unter simulierten Bedingungen der frühen Erde aus einfachen Gasmolekülen entstehen können.
Wie können nun aus diesen einfachen organischen Molekülen die ersten genetisch kodierenden Moleküle entstanden sein, wie können diese ihre genetischen Informationen an eine Tochtergeneration weitergegeben haben und wie können so im Laufe der Evolution selbstreplizierende Systeme entstanden sein? Replikation bezeichnet dabei in der Biologie die Vervielfältigung der Nukleinsäuremoleküle als Träger der Erbinformation einer Zelle, d.h. vor der Zellteilung muss das genetische Material dupliziert werden. Translation hingegen ist der Prozess, bei dem die mRNA in eine Aminosäuresequenz überführt wird.
Hier zeigt sich nun das Henne-Ei-Paradoxon: Was war zuerst da? Wie kann ein Gen abgelesen werden, wenn kein Enzym vorhanden ist, und woher kommt ein Enzym, wenn keine RNA vorliegt, welche die Protein- und damit Enzym-Synthese aus Aminosäuren steuert.
Was ist also Leben? Leben kann nur entstehen, wenn Reaktionen zwischen den Molekülen ablaufen. Eine Erklärung kann die Fähigkeit von RNA-Molekülen geben, die Replikation anderer RNA-Moleküle zu katalysieren. Damit besitzt RNA sowohl katalysierende Eigenschaften wie die Proteine als auch informationsspeichernde Fähigkeiten wie die DNA. RNA-Moleküle besitzen damit prinzipiell das Potential zur Selbstreplikation und können somit Vorläufer von Henne und Ei sein.
Dass ein enzymfreies Kopieren von RNA möglich ist, konnte Leslie Orgel unter relativ exotischen Bedingungen zeigen. Die enzymfreie Ablesung gelingt aber auch in wässriger Lösung mit in situ-aktivierten Nukleotiden, ja selbst, wenn die Abgangsgruppen Aminosäuren sind. Dies konnte in den Stuttgarter Labors gezeigt werden.
Ein weiteres Ziel war es, zu zeigen, dass Translation – also die Überführung der mRNA in eine Aminosäuresequenz auch Ribosom-frei möglich ist. Dies konnte die Arbeitsgruppe Richert ebenfalls zeigen: zumindest bis zur Ebene der Pentapeptide laufen tatsächlich Translationsprozesse mit hoher Ausbeute in Abwesenheit von Enzymen oder Ribosomen ab.
Professor Richert und seine Gruppe konnten damit anhand von Laborexperimenten aufzeigen, dass es für Reaktionen, die für die Evolution vor der eigentlichen Biochemie relevant sind, neue Perspektiven gibt.
Zum Abschluss ließ es sich Professor Richert nicht nehmen, die Teilnehmer*innen musikalisch mit dem Titel „We wish you well“ zu verabschieden.
In der zweiten Veranstaltung der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft des akademischen Jahres 2025 überreichte Professor Rainer Niewa unter dem Applaus der Teilnehmer*innen des aktuellen Jahrgangs den studentischen Teilnehmer*innen des vergangenen Jahres ihre Teilnahmebescheinigungen. Die Schüler*innen hatten ihre Bescheinigungen schon am Ende des vergangenen Schuljahres in ihrer jeweiligen Schule überreicht bekommen. Insgesamt erhielten 118 Schüler*innen und 27 Studierende, die regelmäßig an den Veranstaltungen der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft teilgenommen hatten, die Bescheinigung. Wir freuen uns über diese große Resonanz und hoffen auf eine gleichbleibende Motivation der Teilnehmer*innen im neuen akademischen Jahr.
“Beim letzten Mal haben wir uns mit der Ursuppe befasst, dieses Mal gehen wir einen Schritt weiter und wollen mit der Biochemie einigen Rätseln des Lebens auf die Spur kommen.“ Mit diesen Worten schlug Prof. Rainer Niewa den Bogen zu der vorangegangenen Veranstaltung der Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft, um den aktuellen Vortragenden Prof. Albert Jeltsch einzuführen. Dieser griff die einführenden Worte gerne auf und begann mit den Worten: „Suppe habe ich Ihnen nicht anzubieten, dafür aber drei Gänge…“, womit er die drei Kapitel, in die er seinen Vortrag gegliedert hatte, meinte.
Im ersten Kapitel beschäftigte sich Professor Jeltsch mit der „Geschichte von Molekülen und Genauigkeit“. Kernfrage war, wie die genaue Weitergabe von Erbinformation funktioniert. Dass die Weitergabe der genetischen Information auf der Replikation der doppelsträngigen Struktur der DNA mit ihren komplementären Basenpaaren beruht, ist den Teilnehmer*innen aus dem Biologieunterricht hinlänglich bekannt. Dabei geschieht dieses Kopieren der genetischen Information aber fast fehlerfrei. Das menschliche Genom umfasst etwa drei Milliarden Basenpaare und pro Kopiervorgang entsteht weniger als ein Fehler. Wie kann das möglich sein? Tatsächlich bauen die DNA-Polymerasen sehr wohl Fehler ein, diese werden aber im Anschluss mit Hilfe des Proteins MutS erkannt und können dann repariert werden. Zur Fehleridentifikation versucht das Protein MutS ständig, die DNA zu biegen. Liegt eine Basenfehlpaarung vor, funktioniert dieses Biegen einfacher, da die Doppelhelix hier weniger stabil ist. Nun muss noch geklärt werden, welcher Strang der ursprüngliche Eltern- und welcher der neu synthetisierte Tochterstrang war, um den Kopierfehler gezielt im Tochterstrang beseitigen zu können. Wie dies abläuft, konnte bei Bakterien geklärt werden: In vielen Bakterien ist die DNA an GATC-Sequenzen methyliert. Die Replikation überführt diese DNA nun in einen hemimethylierten Zustand, was bedeutet, dass nur der ursprüngliche Elternstrang methyliert ist, der Tochterstrang jedoch nicht. An der fehlenden Methylierung kann dann erkannt werden, welcher Teilstrang der fehlerhafte ist. Dieser Fehler kann nun in einer DNA-Reparatur gezielt beseitigt werden. Zum Schluss muss die richtige Base noch methyliert werden. Hierzu wird die zu methylierende Base quasi aus der Doppelhelix herausgeklappt, wodurch der Doppelstrang an dieser Stelle zunächst aufgebrochen wird. Damit wird ein Zugriff für die Methylierungsreaktion ermöglicht.
Im folgenden, zweiten Kapitel nahm Professor Jeltsch die Zuhörer*innen mit in „Eine molekulare Geschichte von Männern und Frauen – Imprinting und der Kampf der Geschlechter“. Interessenkonflikte zwischen Geschlechtern treten bereits während der Schwangerschaft und Stillzeit auf. Aus der biologischen Sicht des Vaters sollten möglichst viele Ressourcen von der Mutter zum Kind hin verlagern werden, da die Überlebenschance eines Neugeborenen in früheren Zeiten direkt mit dem Geburtsgewicht zusammenhing. Demgegenüber sollte aus der biologischen Sicht der Mutter der Ressourceneinsatz begrenzt werden, da sie auch ihre eigene Gesundheit sicherstellen muss. Biologische Forschung hat gezeigt, dass jedes Säugetier – so auch der Mensch – einen Satz väterlicher und einen Satz mütterlicher Gene benötigt, da einige Gene ein ungewöhnliches Vererbungsverhalten zeigen. Diese etwa 100 Gene mit molekularer Prägung, sogenanntem Imprint, werden immer nur von der väterlichen oder nur von der mütterlichen Kopie abgelesen. Gene mit Imprint steuern das Wachstum des Embryos und des Neugeborenen. Während die väterlicherseits exprimierten Gene wachstumsfördernd sind, sind die mütterlicherseits exprimierten Gene wachstumshemmend. Imprints sind dabei DNA-Methylierungssignale, die in der Keimbahn generiert und im Zuge der somatischen Entwicklung in allen Zellen erhalten bleiben.
Im dritten Teil der Präsentation, stellte Professor Jeltsch die Frage, wie Mutationen in epigenetischen Enzymen Krebs verursachen können. Viele Patienten mit einem speziellen Lymphdrüsenkrebs zeigen Mutationen der Aminosäure Y641 in der EZH2 Protein-Methyltransferase im Tumorgewebe. Die Mutation sorgt dafür, dass im aktiven Zentrum durch eine Verkleinerung der Aminosäure Platz geschaffen wird, was zur Folge hat, dass anstelle von zwei Methylgruppen drei auf Histon H3 K27 übertragen werden können. Durch diese Dreifachmethylierung stimuliert das mutierte EZH2 eine Entartung der Zellen und somit Krebs. Die Blockierung der EZH2-Aktivität mittels eines spezifisch generierten Inhibitors ist damit eine neue therapeutische Option für Patienten, die von dieser speziellen Art der Tumore betroffen sind. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass die Tiere nach Gabe des entsprechenden Inhibitors überlebten und nicht wie Tiere ohne Inhibitor-Gabe starben. Diese Ergebnisse zeigen in exemplarischer Weise den Weg von biomolekularer Grundlagenforschung zu medizinischen Fortschritten, der nicht immer direkt und selten vorhersagbar ist.
Barbara Schüpp-Niewa
Dr.Leiterin Eliteakademie Chemie und Materialwissenschaft